Ukraine: Vize-Ministerpräsidentin soll neue Regierung leiten
Veröffentlicht: Montag, 14.07.2025 15:32

Regierungsumbildung in Kiew
Kiew (dpa) - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die stellvertretende Ministerpräsidentin Julia Swyrydenko mit der Leitung der Regierung beauftragt. Der Staatschef teilte nach einem Gespräch mit Swyrydenko bei Telegram mit, sie solle die Regierung umbilden. Den bisherigen Regierungschef Denys Schmyhal hatte Selenskyj bereits 2020, also noch vor dem russischen Angriffskrieg, ernannt.
Die Ernennung solle dazu dienen, das Wirtschaftspotenzial der Ukraine besser zu entfalten. Er habe mit Swyrydenko auch über Maßnahmen zur Verbesserung der Hilfen für die Bürgerinnen und Bürger im Land und über eine Vervielfachung der Rüstungsproduktion gesprochen, gab Selenskyj bekannt. Im Parlament, der Werchowna Rada, ist an diesem Mittwoch die Entlassung der alten und am Donnerstag die Ernennung der neuen Regierung angesetzt.
Neue Regierungschefin handelte Rohstoffabkommen aus
Swyrydenko gilt als Wirtschafts- und Handelsexpertin. Die 1985 in der Region Tschernihiw nördlich von Kiew geborene Politikerin war zunächst in der Lokalpolitik und in der Privatwirtschaft tätig, ehe sie nach Selenskyjs Wahlsieg 2019 in die Regierung geholt wurde; zunächst als Vize-Wirtschaftsministerin. Später stieg sie zur stellvertretenden Chefin der Präsidialverwaltung und seit 2021 zur Wirtschaftsministerin und Vize-Regierungschefin auf.
Seit Kriegsbeginn kümmert sie sich um das Anwerben internationaler Hilfen und Kredite. Zuletzt hat sie auch das zwischen Kiew und Washington hart umkämpfte Rohstoffabkommen ausgehandelt. Dabei zeigte sie sich als zähe Verhandlungspartnerin.
Die Regierungsbildung kommt nicht völlig unerwartet. Der bisherige Regierungschef Schmyhal verfügte über relativ geringen Einfluss. Der Abgeordnete der kleinen proeuropäischen Partei «Holos», Jaroslaw Schelesnjak, hatte Mitte Juni den Sturz Schmyhals vorausgesagt. Dessen Kabinett «verliert mehr und mehr an Unterstützung», sagte er damals.
Spekulationen um Regierungsumbildung
Zudem gab es zuletzt immer mehr Spekulationen um eine weitere wichtige Personalie: Verteidigungsminister Rustem Umjerow wurde als möglicher Botschafter in Washington gehandelt. Selenskyj wolle mit der Ablösung der bisherigen Botschafterin Oksana Markarowa US-Präsident Donald Trump entgegenkommen, hieß es in Medienberichten. Die Republikaner werfen demnach Markarowa eine zu große politische Nähe zu den Demokraten vor.
Umjerow gilt als Vertrauter Selenskyjs, konnte aber auch in Washington bereits gute Kontakte knüpfen. Selenskyj selbst hatte die Spekulationen am Wochenende mit seiner abendlichen Videobotschaft angeheizt. Dort sagte er, sowohl das Verteidigungsministerium als auch die Diplomatie, speziell die mit den USA, benötigten eine neue Dynamik.
Gespräche mit US-Sondergesandtem Kellogg
Kurz vor der Ernennung Swyrydenkos hatte Selenskyj ein längeres Treffen mit dem US-Sondergesandten für die Ukraine, Keith Kellogg. Für Kiew ist ein gutes Verhältnis zu Washington wichtig, um weiter auf Waffenlieferungen und andere Unterstützung aus den USA hoffen zu können.
Kelloggs Besuch könnte für einen Wendepunkt der Trump-Administration in ihrer Politik im Ukraine-Konflikt stehen. Trumps Vorgänger Joe Biden hatte die Ukraine in dem seit mehr als drei Jahren währenden russischen Angriffskrieg unterstützt. Trump hingegen sah sich bislang als Vermittler. Um ein schnelles Ende der Kampfhandlungen zu erreichen, hat er bisher unter anderem mit reduzierten Waffenlieferungen vor allem Druck auf Kiew ausgeübt. Zuletzt war seine öffentliche Position gegenüber Moskau kritischer geworden.
Erst am Sonntagabend (Ortszeit) hatte Trump angekündigt, Patriot-Waffensysteme an die Europäische Union zu verkaufen, damit sie an die Ukraine geliefert werden können. Einem US-Medienbericht zufolge will Trump heute zudem eine Erklärung zu seiner Russland-Politik abgeben.