Panne: Soldaten errichten Stellung auf Grabhügel

Verdacht auf Raubgrabung an jungsteinzeitlichem Grabhügel
© Markus Scholz/dpa

Stätte aus der Jungsteinzeit

Ahrensbök (dpa) - Vorsichtig arbeitet sich Grabungshelfer Christian Bartels mit seiner Schaufel in dem lehmigen Boden eines Waldes bei Ahrensbök in Schleswig-Holstein voran. Erst kommen auf dem mehrere Tausend Jahre alten Grabhügel Fetzen aus Leinen zum Vorschein, dann ein ganzer, befüllter Sandsack mit Bundeswehr-Nummer. Schnell zweifelt Grabungsleiter Christoph Unglaub vom Archäologischen Landesamt an der Ursprungsthese, dass hier Raubgräber am Werk waren.

Immer mehr Sandsäcke buddelt das Team aus, dann dicke Äste, die wie die Befestigung einer Seitenwand aussehen. Als hinzugerufene Soldaten sich das Ergebnis der Grabung ansehen, ist rasch klar: Das Militär hat bei einer Übung versehentlich direkt auf dem Grabhügel eine Stellung errichtet und das Denkmal aus der Jungsteinzeit damit zum Teil zerstört.

Die Archäologen waren zunächst von einer Raubgrabung ausgegangen. Archäologe Unglaub zeigt sich erleichtert: «Bei Raubgräbern hätte ich das dumpfe Gefühl gehabt, dass die weitermachen.»

Denkmal beschädigt

Die Bundeswehr räumt den Vorfall ein. «Die Bundeswehr nutzt derartige Sandsäcke zum Bau von Gefechtsstellungen im Gelände zum Schutz der Truppe», sagt Fregattenkapitän Frank Martin, Sprecher der Bundeswehr in Schleswig-Holstein, der Deutschen Presse-Agentur. «Im konkreten Fall befand sich eine übende Truppe im Juni dieses Jahres im Raum Ahrensbök in der einsatzvorbereitenden Ausbildung, die auch den Bau von Gefechtsstellungen beinhaltete.»

Martin geht davon aus, dass die Soldaten auf dem Grabhügel aufgrund der Anhöhe im Gelände eine Stellung gebaut hatten. Davon zeugen senkrecht in den Boden getriebene Pflöcke und dicke Äste als Befestigung an den Seiten. Und eben reichlich Sandsäcke.

Steinzeitgrab

Rund 19.000 Grabdenkmale sind laut Archäologischem Landesamt allein in Schleswig-Holstein bekannt. Ein Teil von ihnen ist durch Landwirtschaft im Laufe der Zeit zerstört worden, auf anderen stehen mittlerweile Bäume wie in diesem Fall. «Denkmale im Wald sind oft besser erhalten», sagt Unglaub. Durch die illegale Grabung lernen die Archäologen aber auch etwas über den Hügel bei Ahrensbök.

«Wir haben auf jeden Fall, zumindest bis jetzt, einen archäologischen Fund. Wir haben ein Feuerstein-Fragment, das auch Spuren von Feuereinwirkung aufweist», sagt Unglaub. «Das heißt, wir haben hier einen Hinweis darauf, dass wir uns in der Jungsteinzeit befinden, wo das nämlich in den Grabhügeln regelhaft eingestreut wurde.» Er geht angesichts des krakelierten (rissigen) Feuersteins davon aus, dass der Grabhügel 4.000 bis 5.000 Jahre alt ist.

Der Grabhügel hat einen Durchmesser von rund 18 Metern und eine Höhe von 1,5 Metern. Wer dort seine letzte Ruhestätte fand, ist unbekannt. «Hier wird jemand bestattet sein, der in der damaligen Zeit zumindest die Ehre bekommen hat, so einen großen Grabhügel zu kriegen», sagt der Archäologe. Dass es Soldaten und keine Raubgräber gewesen seien, mache es für ihn ein bisschen besser. Aber: «Das Denkmal ist teilzerstört.»

Ehrenamtliche Sondengänger

Bemerkt hat das illegale Vorgehen Grabungsarbeiter Bartels, der als ehrenamtlicher Sondengänger Vertrauensmann der Archäologen ist. Im Bereich Ahrensbök kontrolliert er regelmäßig mehr als 40 Denkmale. Bei einem Besuch im Winter habe er davon noch nichts bemerkt, im Juli seien ihm zunächst dort sonst nicht liegende Steine aufgefallen, sagt Bartels. Bemerkt habe er auch das mit Ästen abgedeckte und wieder zugeschüttete Grabungsloch.

Bartels ist einer von rund 500 aktiven Metallsuchern mit Erlaubnis des Landesamts. Die Hobbyarchäologen dürfen zwar Funde aus den vom Pflug bewegten Erdschichten auf Äckern bergen. Zeichnet sich dagegen ab, dass ein Objekt noch in seinem ursprünglichen Zusammenhang eingebettet sein kann, sollen sie die Finger davon lassen.

Übungen im Wald

Revierleiter Götz-Alexander Mentz betreut rund 1.600 Hektar Wald in Schleswig-Holstein. Die sogenannte Kuhkoppel gehört dazu, wie das Waldstück bei Ahrensbök genannt wird. «Ich habe 43 Grabhügel im Revier», sagt er. In der jüngeren Vergangenheit sind ihm immer wieder Soldaten im Wald aufgefallen. Die Bundeswehr komme häufiger, «wenn nicht sogar wöchentlich».

Die Soldaten übten in den Wäldern, nicht nur in seiner Region, bestimmte Lagen, sagt Mentz. In seinem Revier seien oftmals Aufklärer unterwegs. «Die sollen sich einbuddeln und dann im Endeffekt nachher Informationen erlangen.»

Die Bundeswehr will die Truppe nun sensibilisieren. «Für die Soldatinnen und Soldaten war dieser Grabhügel aus unterschiedlichen Gründen leider nicht als historischer Grabhügel erkennbar», sagt Sprecher Martin. Die Bundeswehr bedauere diesen Umstand sehr und lege viel Wert auf den Erhalt, die Pflege und den Schutz von derartigen historischen Orten. «Vor diesem Hintergrund werden wir unsere inneren Abläufe und Vorbereitungen für einsatzvorbereitende Übungen noch einmal nachhaltig betrachten, um künftig konkret den Schutz von historischen Grabhügeln zu gewährleisten.»

Wenige Hundert Meter entfernt von der Grabungsstelle befindet sich ein weiter vorgeschichtlicher Grabhügel. Auch dort wurde ein Loch bemerkt, allerdings kleiner als die Hinterlassenschaft der Soldaten. Das Team um Unglaub erwägt, sich dieses Denkmal auch anzusehen.

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Verdacht auf Raubgrabung an jungsteinzeitlichem Grabhügel
Sie gingen dabei zunächst von einer Raubgrabung aus.© Markus Scholz/dpa
Sie gingen dabei zunächst von einer Raubgrabung aus.
© Markus Scholz/dpa
Verdacht auf Raubgrabung an jungsteinzeitlichem Grabhügel
Grabungsleiter Christoph Unglaub sagt, das Denkmal sei zum Teil zerstört worden.© Markus Scholz/dpa
Grabungsleiter Christoph Unglaub sagt, das Denkmal sei zum Teil zerstört worden.
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